taz.de -- Streit um Altlasten: Unsozial aber unverzichtbar

Die ehemaligen Boykotteure aus der HFBK kämpfen weiter gegen die Studiengebühren. Die Bürgerschaft lehnt ein Vermittlungsverfahren ab.
Bild: Damals hing der Himmel der HFBK-Studierenden noch voller Luftballons - heute befassen sich die Boykottierenden mit Mahnbescheiden.

Als Linda K.* vor einigen Monaten Mahnschreiben bekam, holte sie ihre Studienzeit an der Hochschule für bildende Künste (HFBK) schlagartig wieder ein. Die damalige Filmstudentin hatte sich 2007 wie viele andere Studierende der Boykottbewegung gegen die neu erhobenen Studiengebühren angeschlossen. Andere hat es schlimmer getroffen: über zwei Dutzend Konten ehemaliger Studierender wurden hamburgweit gepfändet.

„Ich wünschte, die Forderungen würden endlich fallen gelassen und das Ganze hätte ein Ende“, sagt Linda K. Sie meint: „Der Senat hat schließlich im Zuge der Abschaffung der Studiengebühren diese selbst für unsozial erklärt – nun soll er auch danach handeln.“

Nach einer Wirtschaftsprüfung durch den Landesrechnungshof im letzten Jahr wurde die Hochschule dazu aufgefordert, die ausstehenden Gebühren einzutreiben. Noch immer gibt es über hundert offene Zahlungsansprüche allein an der HFBK. Diese träfen die jungen KünstlerInnen in einer finanziell sehr schwierigen Phase, erklärt der Asta der HFBK. Viele stockten mit Hartz IV auf, um sich überhaupt über Wasser halten zu können. Nun fehle manchen das Geld zum Leben.

Die HFBK hält dagegen, dass niemand unvorbereitet getroffen worden sei: Im Verlaufe des Verfahrens habe man mehrere Mahnungen an die Studierenden verschickt. Die Pfändung erfolge frühestens nach der dritten Mahnung. Als Zahlungsalternative bietet die HFBK eine Ratenzahlung oder eine Stundung an.

Die Linke hatte am Donnerstag in der Bürgerschaft erneut versucht, den Gebührenstreit zum Thema zu machen. Doch der Antrag auf Einsetzung eines Vermittlungsverfahrens wurde von allen anderen Fraktionen außer den Grünen abgelehnt. Eine Debatte fand nicht statt.

Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Philipp Sebastian Kühn, sagte, er sehe für einen Verzicht auf die Forderungen keine rechtliche Grundlage. Ähnlich äußerte sich die Zweite Bürgermeisterin Dorothee Stapelfeldt (SPD): In ihrer Antwort auf einen Beschwerdebrief des HFBK-Astas schrieb sie, dass die Erhebung von Studiengebühren damals aus geltendem Recht erfolgt sei – auch wenn der Senat die Studiengebühren mittlerweile für falsch erachte.

Der Hamburger Rechtsanwalt Martin Klingner, der den HFBK-Asta vertritt, sieht jedoch keinen Grund aufzugeben. „Es gibt durchaus eine rechtliche Grundlage für eine Niederschlagung der Forderungen.“ So könne man an der Frage der Gleichbehandlung ansetzen: Schließlich gebe es Vorgänger- und Nachfolgejahrgänge, die keine Studiengebühren bezahlen mussten.

Außerdem würden die Studiengebühren nach der Eintreibung voraussichtlich nicht, wie ursprünglich vorgesehen, für die Verbesserung der Lehre eingesetzt, sondern flössen in andere Kanäle.

10 Apr 2014

AUTOREN

Lucks

TAGS

Hamburg
Studiengebühren
zeitgenössische Kunst

ARTIKEL ZUM THEMA

Hochschule für bildende Künstler in Hamburg feiert 250-Jähriges: Das freundliche Refugium

An der HfBK hat Otto Waalkes ebenso studiert wie Jonathan Meese, das Beatles-Mitglied Stuart Sutcliffe und der RAF-Terrorist Holger Meins.

Streit um Studiengebühren: Die Grenzen der Kulanz

Die Hochschule für bildende Künste bittet Boykotteure zur Kasse, nachdem sie Jahre lang einen kulanten Umgang mit Nicht-Zahlern pflegte. Das reißt alte Wunden auf.

Hamburger Kunsthochschule: Gebühren für die Kunst

Kunststudenten im Neoliberalismus? Oder In-Verantwortung-Nehmen einer privilegierten Spezies? Der Streit über Studiengebühren an der Hamburger Kunsthochschule spitzt sich weiter zu.

Hamburg: Eine Uni mistet aus

Nach dem Studiengebühren-Streit müssen über 1.000 Karteileichen die Uni Hamburg verlassen. Kunststudenten wollen das Gebühren-Thema in den Wahlkampf tragen.

Hamburg: Jeder Zweite fliegt von Kunsthochschule

Hamburgs Kunsthochschule schmeißt die Hälfte ihrer Studierenden raus. Grund: Sie weigern sich, 500 Euro Studiengebühr zu zahlen.