taz.de -- Agrarwende auf Hamburgisch: Mehr Bio, weniger Ausgleich
Hamburg will die ökologische und gentechnikfreie Landwirtschaft fördern. Agrarkonzept 2020 sieht aber auch weniger Naturausgleich für Flächenversiegelung vor.
Ökologisch und ohne Gentechnik stellt sich der Hamburger Senat die künftige Landwirtschaft in der Hansestadt vor. Um die „Regionalität von Agrarprodukten konsequent zu fördern“, stellte der auch für Landwirtschaft zuständige Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) am Dienstag im Rathaus das zuvor vom Senat beschlossene „Agrarpolitische Konzept 2020“ vor. Es ist das erste dieser Art in Hamburg.
Demnach soll die Förderung der ökologischen Landwirtschaft um durchschnittlich 20 Prozent erhöht werden. Binnen zehn Jahren soll dadurch der Anteil ökologisch bewirtschafteter Flächen im Obstanbau von derzeit elf auf 25 Prozent steigen. Als Vorzeigeprojekte sollen drei Bio-Modellbetriebe im Alten Land über drei bis fünf Jahre besonders gefördert werden. Zu den Maßnahmen gehören Beratungen und Schulungen der Landwirte ebenso wie die Verbesserung der Absatzstrukturen und Vermarktung. Ziel des Senats sei es, so Horch, „die Bedeutung der Agrarwirtschaft für gesunde Ernährung, Klima- und Ressourcenschutz zu erhöhen“.
In die gleiche Richtung zielt die Absicht, dass Hamburg dem 2005 ins Leben gerufenen „Europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen“ beitritt. Das war in der schwarz-grünen Koalition am damaligen Widerstand der CDU gescheitert. „Damit sprechen wir uns klar gegen den Anbau gentechnisch veränderter Organismen aus“, stellt Horch klar. Das ist in der Europäischen Union rechtlich zwar schwierig, aber nicht umfassend verboten.
„Viele Verbraucher lehnen gentechnisch veränderte Nahrungsmittel ab“, weiß der Senator, „wir auch.“ So sollen in den öffentlich beeinflussbaren Bereichen – Behördenkantinen, Schul- und Hochschulmensen, Kitas – neue Richtlinien so gefasst werden, dass gentechnikfreie Nahrung zu bevorzugen ist.
Zudem will der Senat mit einem „Agrarflächenmanagement“ den Umgang mit Arealen, die für naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen in Anspruch genommen werden sollen, „optimieren“. Auf einem „Ökokonto“ soll künftig jeder neu gepflanzte Strauch eingebucht werden, neue Gewerbegebiete auf der grünen Wiese würden damit verrechnet. Die Umweltschutzverbände Nabu und BUND halten das für rechtswidrig.
Dadurch würde künftig „noch weniger Ausgleich für Naturverluste zum Beispiel durch Bauvorhaben erfolgen“, kritisiert der Nabu-Vorsitzende Alexander Porschke diesen „Landfraß“. Der Senat hätte besser „ein Programm für den Erhalt der Artenvielfalt im ländlichen Raum“ erarbeitet, statt die ohnehin schon schwache Ausgleichsregelung für Naturverluste noch weiter zu schwächen, bemängelt der ehemalige grüne Umweltsenator. „Die Leidtragenden werden Sperling, Kiebitz und andere Vögel der Agrarlandschaften sein.“
Dass wiederum sieht die CDU-Bürgerschaftsfraktion genau andersherum. Flächenausgleich dürfe nicht „auf Kosten der Landwirtschaft“ erfolgen, fordert ihr agrarpolitischer Sprecher Hjalmar Stemmann. Mehr Naturschutzausgleich bedrohe die wirtschaftliche Existenz der Betriebe. „In weiten Teilen Hamburgs“, fürchtet Stemmann, „wird es bald keine Landwirtschaft mehr geben.“
15 Apr 2014
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