taz.de -- Homosexuelle in der Türkei: Mit mittelalterlichen Methoden
Menschenrechtsgruppen bezeichnen Sondergefängnisse für Homosexuelle als „Verbannung“. Die Regierung behauptet, sie wolle die Häftlinge dadurch vor Übergriffen schützen.
ISTANBUL afp | Die geplante Unterbringung homosexueller Häftlinge in gesonderten Gefängnissen sorgt in der Türkei für Empörung. „Das sind mittelalterliche Methoden. Diese Art von Trennung ist nichts anderes als eine Strafe“, sagte der Sprecher des Homosexuellenverbands Kaos GL, Murat Koylu, am Dienstag.
Justizminister Bekir Bozdag hatte am Wochenende entsprechende Pläne publik gemacht. Demnach sollen für offen homosexuelle Häftlinge separate Gefängnisse errichtet werden.
Nach Angaben des Ministeriums dient die Maßnahme zum Schutz vor Übergriffen. In den regulären Gefängnissen müssten Homosexuelle oft in Einzelhaft untergebracht werden, um sie zu schützen. Menschenrechtsgruppen laufen jedoch Sturm gegen das Vorhaben, das aus ihrer Sicht die Diskriminierung weiter verschärft. Die Regierung habe sich erneut dazu entschieden, „Homosexuelle zu verbannen“, monierte Koylu.
Nach Angaben des Justizministeriums in Ankara sind derzeit 79 Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender in türkischen Gefängnissen untergebracht. Die tatsächliche Zahl dürfte weitaus höher liegen, da viele Häftlinge ihre sexuelle Identität verheimlichen.
Anders als in vielen anderen muslimisch geprägten Länder sind gleichgeschlechtliche Beziehungen in der Türkei nicht verboten. Allerdings gibt es auch keinen besonderen rechtlichen Schutz für Homosexuelle.
16 Apr 2014
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