taz.de -- Rassismus im Frauenfußball: Stinkefinger und Hütchenwurf

Die Fußballerin Genoveva Anonma hat mit eindeutiger Geste auf eine angeblich rassistische Beleidigung reagiert. Über den Vorfall wird heftig gestritten.
Bild: Die Potsdamerin Genoveva Anonma (l.) im Champions-League-Halbfinale gegen Wolfsburg

BERLIN taz | Die Regie beim Deutschen Fußball-Bund hat kurzerhand einfach den Stecker gezogen. Die mittlerweile auf [1][Twitter] und Facebook heiß diskutierte Rassismusaffäre von Wolfsburg wurde am Freitagabend losgetreten. So etwas kennt man im deutschen Frauenfußball bislang noch nicht. Die DFB-TV-Macher wollten das Unheil, das sich aus ihrer Sicht da zusammenbraute, anscheinend abwenden, indem sie einfach ihre Berichterstattung abrupt einstellten.

Kaum hatte Bernd Schröder nach der 0:2-Niederlage seines Potsdamer Teams im Spitzenspiel beim VfL Wolfsburg erklärt, warum seine Spielerin Genoveva Anonma der VfL-Bank den Mittelfinger zeigte, was bereits in der 15. Minute einen Platzverweis zur Folge hatte, wurde die Liveübertragung abgebrochen. Schröder hatte berichtet, seine Nationalspielerin aus Äquatorialguinea sei ausgetickt, weil sie von der Wolfsburger Bank eine diskriminierende Bemerkung über ihre Hautfarbe vernommen hatte.

Seither ist die Empörung groß – vor allem auf Seiten des VfL Wolfsburg. In einer Pressemitteilung vom Sonntag weist man den „aus der Luft gegriffenen“ Vorwurf zurück. Und Trainer Ralf Kellermann, der als Urheber der Beleidigung benannt wurde, wird mit den Worten zitiert: „Wir haben nach dem Foul von Anonma an Noelle Maritz sicherlich emotional reagiert, uns aber in keiner Weise rassistisch geäußert.“ VfL-Geschäftsführer Thomas Röttgermann wird noch deutlicher und grundsätzlicher. Er wirft dem Potsdamer Verein vor, den Kampf gegen den Rassismus zu beschädigen. Und fordert: „Im Namen des VfL Wolfsburg erwarte ich eine Entschuldigung von Turbine Potsdam.“

Bernd Schröder wiederum erklärt, er wisse nicht, wofür er sich entschuldigen solle. Er habe bewusst keine Wertung des Vorgangs vorgenommen, sondern lediglich auf Nachfrage des Reporters die Wahrnehmung seiner Spielerin geschildert. „Ich kann doch den Vorfall nicht verschweigen. Ich muss doch das Prinzip von Ursache und Wirkung darstellen“, sagt der 71-Jährige der taz. Er habe nie behauptet, dass sich Kellermann rassistisch geäußert habe. Der VfL Wolfsburg erachtet es möglicherweise schon als Skandal, dass Schröder seinem Kollegen Kellermann eine rassistische Bemerkung überhaupt zutraut. Potsdams Coach entgegnet indes: „Soll ich sagen, meine Spielerin ist blöd, kommt aus dem Busch und hat die Banane noch im Mund?“

Am Montag wurde Genoveva Anonma vom DFB-Kontrollausschuss für drei Spiele gesperrt. Schröder erklärte, man werde dies akzeptieren, schließlich hätte seine Spielerin, was auch immer vorgefallen sei, weder den Mittelfinger zeigen noch das Plastikhütchen Richtung Wolfsburger Bank kicken dürfen. Umgekehrt würde durch die Strafe aber auch nicht der Eindruck erweckt, seine Spielerin würde lügen. Zwischen Beleidigungen und rassistischen Beschimpfungen liege oft ein schmaler Grat. Es sei doch denkbar, dass Anonma etwas gehört habe, das anders gemeint gewesen sei.

Entlarvender Eintrag gelöscht

Wie sensibel man offenbar die Rassismusfrage auch im Frauenfußball behandeln muss, offenbarte sich auch auf der Facebook-Seite des VfL Wolfsburg. Ein User gab zu bedenken, dass Anonma in der Vergangenheit in Wolfsburg von sogenannten VfL-Fans schon rassistisch beleidigt worden sei. Der Eintrag wurde später gelöscht.

Ein anderer postete: „Nicht nur ich beobachte, dass sich immer öfter ausländische Mitbürger erfolgreich der Kritik entziehen, in dem sie (potentiellen) Kritikern Fremdenfeindlichkeit oder Rassismus vorwerfen.“ Bernd Schröder bestätigt, dass Anonma des Öfteren in der Liga rassistisch beleidigt werde – nicht nur in Wolfsburg. „Auch beim Frauenfußball gibt es Zuschauer, die nicht vom Intellekt beseelt sind. Das ist ein gesellschaftliches Problem, das auch auf uns überschwappt.“

19 May 2014

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[1] http://twitter.com/search?q=anonma&src=typd

AUTOREN

Johannes Kopp

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