taz.de -- Kommentar Rente mit 60: Vertraut den Betroffenen
Politik und Wirtschaft tun sich schwer damit, die Menschen selber entscheiden zu lassen, wie sie ihr Leben leben wollen.
Wann immer es um politische Ideen geht, bei denen etwas zu gewissen Teilen getan werden soll oder darf, etwa bei der Teilzeitarbeit, beim Teilelterngeld und jetzt bei der Teilrente, baut sich eine Welle der Empörung auf. Darauf kann man Wetten abgeben.
Vor allem Politik und Wirtschaft tun sich schwer damit, Menschen selber entscheiden zu lassen, was sie für ihr Leben richtig halten. Es gilt hierzulande vielfach nach wie vor das Prinzip: Ganz oder gar nicht.
Warum ist es so schwer zu sagen, Mutter und Vater sollten jeweils 32 Stunden arbeiten statt einer von ihnen voll und der andere fast gar nicht? Warum können sich EntscheiderInnen nicht dazu durchringen, Ältere gleichermaßen arbeiten und sie trotzdem schon Altersgeld beziehen zu lassen? Das ist für beide Gruppen – Eltern und RentnerInnen – nicht nur von persönlichem Vorteil, sondern bringt auch der Wirtschaft mehr ein. Die Rentenkasse füllt es auch. Warum also gibt es so ein starkes Widerstreben?
Weil es um einen tiefgreifenden Kulturwandel geht: weg von althergebrachten Arbeits- und Lebensmodellen hin zu mehr Flexibilität. Und es geht darum, den Betroffenen mehr Vertrauen zu schenken in die eigene Entscheidungskraft.
Machen wir uns nichts vor: Schon jetzt gibt es Eltern, die anders arbeiten, als es die „Norm“ vorschreibt. Und genauso gibt es heute schon Menschen in Teilrente. Das Problem ist, dass sie das privat bezahlen. Die gesetzliche Rentenversicherung jedenfalls zahlt derzeit nur rund 3.000 Teilrenten. Das sind nicht einmal 0,002 Prozent aller Altersrenten.
Die Angst, dass mit der Teilrente plötzlich zu viele Ältere zu früh in Rente gehen, ist unberechtigt. Es gibt ebenso viele Menschen, die länger arbeiten wollen als nur bis 67. Nicht wenige davon in Teilzeit.
23 Jun 2014
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