taz.de -- Matthias Güldner über Beamtenbesoldung: „Die Schere geht auseinander“
Der Fraktionschef der Bremer Grünen Matthias Güldner über den Versuch, die Beamtenbesoldung in Bremen sozial zu staffeln.
taz: Herr Güldner, kassiert das [1][Urteil des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichts] auch Bremens Beamtenbesoldungs-Ordnung?
Matthias Güldner: Unmittelbar nicht: Das [2][Urteil] gilt ja nur in Nordrhein-Westfalen. Relevant ist es natürlich schon, weil wir uns eng an die dortige Regelung angelehnt haben. Wenn diese von einem Landesverfassungsgericht als grundgesetzwidrig eingestuft wird, können wir das nicht ignorieren.
Sprich, der Versuch, die Beamtenbesoldung zu staffeln, war ein Fehler?
Die Kritik daran entbehrt nicht einer gewissen Skurrilität: Die Gewerkschaften haben sich ja die soziale Gerechtigkeit auf die Fahnen geschrieben. Trotzdem kritisieren sie uns dafür, dass wir in dieser Besoldungsrunde die hohen Einkommen nicht, die mittleren nur mittel und die geringen stark angehoben haben?
Sie haben den Abstand zwischen den Besoldungsstufen verringert?
Das war die Idee, und die wird angegriffen. Was man bei dieser Kritik aber vergisst, ist, dass bei allen prozentualen Erhöhungen der Vergangenheit, die oberen Besoldungsgruppen viel mehr erhalten haben als die unteren.
Sie meinen in absoluten Zahlen?
Ja, der Betrag, der bei jedem auf dem Konto erscheint. Die Schere geht da immer weiter auseinander, seit mehr als 60 Jahren. Jetzt wird einmal der Versuch unternommen, diesen Automatismus zu beenden und die Erhöhung nach sozialen Kriterien zu staffeln. Und dann soll schon das Abstandgebot verletzt sein.
Das ist ungerecht?
Also ich persönlich kann in dieser Frage das Urteil überhaupt nicht nachvollziehen.
Der DGB [3][offenbar schon].
Da darf man nicht alle über einen Kamm scheren. In den Gewerkschaften wird diese Auseinandersetzung ja geführt, man versucht, sie bei Tarifverhandlungen mit Einmalzahlungen und Ähnlichem zu korrigieren.
Bremens DGB-Chefin Anette Düring begrüßt das Urteil, moniert einen „evidenten Verstoß“ gegen das Alimentationsprinzip und fordert, das Land möge den schleunigst beseitigen.
Natürlich kann ich nachvollziehen, dass eine [4][Gewerkschaftsvorsitzende gegen Nullrunden ist], egal für wen. Aber zu sagen, wir brauchen immer nur prozentuale Erhöhungen, die dann bei den oberen Gehaltsgruppen viel stärker durchschlagen als bei Geringverdienern, ist keine sozial verantwortliche Position.
Und nach der suchen Sie, trotz des NRW-Urteils?
Eine Interpretation, nach der alles an diesem Besoldungsgesetz verfassungswidrig wäre, lässt der Urteilstext nicht zu. In etlichen Passagen wird auf Ermessens und Gestaltungsspielräume der Regierung hingewiesen.
Bloß ohne klare Kriterien?
Das ist in der Tat eine Schwierigkeit. Die RichterInnen rekurrieren immer wieder auf die Größe der Mindest und das Problem einer möglichen Über-Alimentation – ohne sie zu definieren: Wie wollen Sie da eine eventuelle Über-Alimentation überhaupt feststellen? Hier bedarf es einer weiteren Auslegung des Urteils, um zu klären, was die RichterInnen uns damit eigentlich sagen wollten.
Naja, doch wohl, dass die Mindest-Alimentation unterschritten wurde…
Nein, das nun an keiner Stelle. Das Gericht hält nur für problematisch, dass der Abstand zwischen den Gering und Spitzenverdienern „signifikant verringert“ wurde.
Also, dass der kleine Wachtmeister den Ober-RichterInnen und ProfessorInnen, die solche Urteile schreiben, besoldungstechnisch zu nahe rückt. Ist es nicht bedenklich, dass da Betroffene Recht sprechen?
Dazu, dass RichterInnen da auch in eigener Sache entscheiden, sehe ich keine vernünftige Alternative. Umso wichtiger ist es aber, dass sie sich ihrer eigenen Betroffenheit bewusst sind – und im Interesse des gesamten Volkes urteilen.
Akut wird diese Frage durch den Trend, auch noch Abgeordneten-Diäten an die Besoldungsordnungen zu koppeln, siehe das [5][//www.ndr.de/info/Staatsrechtler-von-Arnim-zum-Bundestags-Diaetengesetz,audio207718.html:Bundesrichter-Bundestag-Modell]. Wäre das der finanzielle Ausdruck der Tendenz zur [6][Elitendemokratie], in der die Gewaltenteilung genau dann aussetzt, wenn Spitzenbeamte, Abgeordnete und Richter über die eigenen Bezüge befinden?
Da bin ich persönlich zumindest froh, dass wir in Bremen auf eine [7][//www.ndr.de/info/Staatsrechtler-von-Arnim-zum-Bundestags-Diaetengesetz,audio207718.html:solche automatische Verknüpfung] verzichtet haben. Hier legt die Bürgerschaft die Diäten selbst fest, unter den kritischen Blicken der Öffentlichkeit. Und aufgrund unseres Vorgehens bei der Beamtenbesoldung haben wir entschieden, für die zwei fraglichen Jahre auf eine Erhöhung zu verzichten, vollständig und für alle Abgeordneten.
Also gibt’s jetzt Nachschlag für alle?
Nein, die Regelung bleibt bestehen. Und zwar ganz egal, wie unsere Reaktion aufs nordrhein-westfälische Urteil aussehen wird.
7 Jul 2014
LINKS
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Das Bundesverfassungsgericht hat Regeln für Mindesteinkommen von Richtern festgelegt. Die Besoldung in Sachsen-Anhalt war verfassungswidrig niedrig.
In Niedersachsen zahlen Land und Städte jüngeren Beschäftigten zu wenig. Schon bald könnten deshalb Nachzahlungen in Millionenhöhe fällig werden.
Bremens Landesbeamte bekommen Nachschlag nach NRW-Modell – aber nicht so viel, wie Richterbund, DGB und Einzelgewerkschaften fordern.
Die Polizisten in Bremen begehren auf, weil sie nur teilweise und zeitverzögert mehr Geld bekommen sollen. Gewerkschaftler sprechen von einem „Skandal.
Der grüne Fraktionschef legt sich mit der SPD an und will das Amt des Bürgerschaftsdirektors neu ausschreiben. Die große Koalition schweigt dazu.