taz.de -- Zukunft der Odenwaldschule: Ein weiteres Schuljahr

Nach dem Missbrauchsskandal und Finanzproblemen wird der Unterricht an dem umstrittenen Internat fortgesetzt. Das hat das hessische Sozialministerium entschieden.
Bild: Ein Internat mit düsterer Vergangenheit: Die Odenwaldschule.

HEPPENHEIM dpa | Die Zukunft der krisengeschüttelten Odenwaldschule hängt am seidenen Faden. Fast bis zuletzt hatte das hessische Sozialministerium als Aufsichtsbehörde die Finanzlage des Reforminternats geprüft – und nun gerade mal für ein weiteres Schuljahr grünes Licht gegeben. Die Schule könne die Finanzierung auch nur für ein Schuljahr sicherstellen, hieß es. Wenigstens kann so der Unterricht wie geplant am kommenden Montag (25.8.) beginnen.

So hatten nicht das Thema sexueller Missbrauch, nicht das Hauen und Stechen an der Spitze, sondern Geldsorgen das einst geschätzte und als renommiert bezeichnete Internat im südhessischen Heppenheim kurz vor dem neuen Schuljahr in die Enge getrieben. Die Zahl der Schüler ging deutlich zurück, zuletzt um rund 50 auf 143. Nun wird das Gehalt der etwa 110 Mitarbeiter erst einmal um zehn Prozent gekürzt, zwei Grundstücke mit Immobilien zu Geld gemacht.

Auch der Vorschlag nach einer Art Spendentopf macht die Runde. Fehlen sollen drei Millionen Euro. Das Ministerium will darüber hinaus aber auch genau hinschauen, ob das neue Betreuungskonzept des Internats umgesetzt wird. Lehrer sollen nicht mehr einen so engen Kontakt zu Schülern haben, wie das in der Vergangenheit der Fall war. Künftig sollen sie in ihrer bisherigen Funktion als Betreuer durch Sozialpädagogen ersetzt werden. Dies schütze vor sexuellem Missbrauch.

Die Aufsichtsbehörden berieten länger als gedacht im hessischen Sozialministerium über den Finanzplan der klammen Schule. Nach Informationen des Darmstädter Echo wurde die knappe Rettung nur möglich, weil ein Mitglied des Altschülervereins bis 31. Juli des kommenden Jahres eine Bürgschaft über 600.000 Euro gegeben habe.

Betreuungskonzept geändert

Bundesweit Schlagzeilen machte die Odenwaldschule vor vier Jahren, als ein Missbrauchsskandal von bedrückendem Ausmaß publik wurde – nach Jahrzehnten der Vertuschung: Mindestens 132 Schüler wurden in dem Internat von Lehrern sexuell missbraucht. Seitdem schien die Situation noch nie so schwierig wie jetzt. Gerade noch rechtzeitig änderte das Internat das Betreuungskonzept.

Das Ministerium sah dann in einem Schreiben „die räumlichen, fachlichen und personellen Voraussetzungen im Wesentlichen als gegeben“ an. Um das rettende Ufer zu erreichen, trennte sich die Schule im Streit um die Zukunft im Juli auch auf einen Schlag von [1][drei Verantwortlichen in leitenden Positionen]. Der Trägerverein setzte Schulleiter Siegfried Däschler-Seiler, Internatsleiterin Juliana Volkmar sowie den langjährigen Geschäftsführer Meto Salijevic vor die Tür. Diese Stellen sollen nun bis spätestens zum 1. Dezember 2014 wieder besetzt werden.

In Sachen Finanzen hatte das Sozialministerium die Odenwaldschule deutlich gewarnt. In einem Schreiben vor zwei Wochen hieß es, wenn kein schlüssiger Wirtschaftsplan vorliege, könne „die weitere Betreuung der Kinder und Jugendlichen vom 25.8.2014 an nicht gestattet werden“. Es gebe „bezüglich der wirtschaftlichen Voraussetzungen dringenden kurzfristigen Klärungsbedarf“. Der Wirtschaftsplan wurde nachgebessert, die Schule bekam dafür auch etwas mehr Zeit als vorgesehen. Das ist aber noch nicht alles. Denn über der Schule schweben auch noch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft.

Ein inzwischen entlassener Lehrer hatte zugegeben, Kinderpornografie aus dem Internet heruntergeladen zu haben. Der Mann will sich die Pornos vor seiner Zeit an der Odenwaldschule beschafft haben. Ergebnisse der Untersuchung wird es frühestens in einem Monat geben, schätzen die Ermittler.

21 Aug 2014

LINKS

[1] /Nach-Missbrauchsskandalen/!142524/

TAGS

Odenwaldschule
sexueller Missbrauch
Internat
sexueller Missbrauch
Missbrauch
Odenwaldschule
Odenwaldschule
Kinderpornografie
Odenwaldschule
sexueller Missbrauch
Odenwaldschule
Odenwaldschule
Odenwaldschule
Odenwaldschule
Odenwaldschule

ARTIKEL ZUM THEMA

Odenwaldschule bleibt geöffnet: Schulbetrieb für drei Jahre gesichert

Schüler und Eltern sind erleichtert: Durch Spenden konnten genug Mittel eingeworben werden, um die Schule vorläufig zu retten.

Odenwaldschule schließt: Kein Kredit mehr

Über Jahre kämpfte die Odenwaldschule mit der Verarbeitung eines Missbrauchsskandals. Jetzt muss die Einrichtung aus finanziellen Gründen schließen.

Kommentar Aufarbeitung von Missbrauch: Durchwachsene Bilanz

Den Missbrauchsopfern wird es weiterhin schwergemacht, Forderungen zu stellen. Die Aufklärung muss von außerhalb der Institutionen betrieben werden.

Film über Odenwaldschule: Pädagogischer Eros im Bademantel

Der ARD-Film „Die Auserwählten“ zeigt den Missbrauch an der Odenwaldschule wohl zu konkret. Zwei Ex-Schüler wollten die Ausstrahlung verhindern.

Besitz von Kinderpornografie: Maximales Strafmaß erhöht

Das maximale Strafmaß für den Besitz von Kinderpornografie wird auf drei Jahre erhöht. Zudem wird der Begriff im Gesetz klarer gefasst.

Odenwaldschule mit neuem Konzept: Altschüler sollen den Ruf retten

Die Odenwaldschule hat ihr Wohnkonzept überarbeitet und plant eine neue Rechtsform. Ehemalige sollen Anteile zeichnen und die Existenz sichern.

Regisseurin über die Odenwaldschule: „Becker hat mich regelrecht verfolgt“

Als Odenwaldschülerin stritt sich Elfe Brandenburger mit dem pädophilen Schulleiter Gerold Becker um Jungs. Jetzt verarbeitet sie ihre Erinnerungen in einem Film.

Nach Missbrauchsskandalen: Odenwaldschule entlässt Leitung

Die umstrittene Reformschule in Heppenheim reagiert auf Missbrauchs- und Kinderpornoskandale: Sie feuert Schulleiter, Internatsleiterin und Geschäftsführer.

Nach neuen Missbrauchvorwürfen: Odenwaldschule droht Schließung

Hessens will die Betriebsgenehmigung des privaten Reform-Internats unter die Lupe nehmen. Der Staatsanwalt prüft einen Verdacht gegen einen Arzt der Schule.

Debatte sexueller Missbrauch: Zeit, das Licht auszumachen

Die Odenwaldschule muss geschlossen werden. Sie ist zum Symbol der institutionalisierten sexualisierten Gewalt geworden.

Missbrauchsverdacht an Odenwaldschule: „Komisches“ Verhalten

Ein Lehrer wurde wegen Kinderporno-Besitz entlassen. Jetzt wird gegen ihn ermittelt, weil er Schüler missbraucht haben soll. Der Landrat will die Schule nicht schließen.

Odenwald-Lehranstalt unter Druck: Schule schweigt zu Kinderpornos

Ein Lehrer der Odenwaldschule hat Kinderpornos heruntergeladen. Ein Gesprächsultimatum hat die Schule verstreichen lassen. Jetzt macht die Behörde Druck.