taz.de -- Österreichs Finanzminister tritt ab: Regierung ist zufrieden

Nach anhaltender Kritik tritt Vizekanzler und Finanzminister Michael Schindelegger zurück. Die Koalition aus SPÖ und ÖVP darf weiterwurschteln.
Bild: Michael Spindelegger: Österreich muss sich einen neuen Finanzminister suchen

WIEN taz | Österreich verliert mit einem Schlag seinen Vizekanzler und seinen Finanzminister. Denn ÖVP-Chef Michael Spindelegger, 54, trat Dienstagmorgen von allen seinen Ämtern zurück. Völlig überraschend und mit sofortiger Wirkung. Unter zunehmendem Beschuss der eigenen Parteifreunde aus den Bundesländern warf er entnervt das Handtuch.

Die Koalition mit der SPÖ ist dadurch fürs Erste nicht gefährdet. Angesichts der Umfragen, die seit Wochen von der rechten FPÖ angeführt werden, glichen Neuwahlen einem politischen Selbstmord der Regierungsparteien.

Spindelegger hat im Finanzministerium, das er bei der Regierungsneubildung nach den Nationalratswahlen vor elf Monaten übernahm, den knausrigen Säckelwart gespielt, dem die Budgetkonsolidierung über alles geht. Alle Ressortminister waren aufgefordert, eisern zu sparen.

Das Geld brauchte er für die Abwicklung der notverstaatlichten Hypo Alpe Adria Bank, einer Hinterlassenschaft von Jörg Haiders Finanzakrobatik auf dem Balkan. Rufe nach einer Steuerreform, die die Klein- und Mittelverdiener entlasten soll, blockte er mantraartig mit dem Hinweis ab, „erst, wenn wir sie uns leisten können“.

Kurswechsel gefordert

Zuletzt mehrten sich auch in den ÖVP-regierten Bundesländern die Stimmen, die eine rasche Entlastung einforderten. In Vorarlberg, wo die ÖVP um ihre absolute Mehrheit fürchten muss, wird am 21. September gewählt. Und mit der Performance der Bundespartei hat man dort keine Freude. Letzte Woche zeigte sich auch Oberösterreichs ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer verärgert, dass seine Partei in den Umfragen „bei 20 Prozent herumgrundelt“. Nur ein Kurswechsel könne das ändern.

Vor der Presse begründete Spindelegger seinen Rücktritt damit, dass er „aus der eigenen Partei ein klares Signal“ bekommen habe: „Wir müssen auf den Populismuszug aufspringen.“ Das sei mit ihm aber nicht zu machen: „Der österreichische Weg muss sich orientieren an Berlin und nicht an Athen.“

Wer Spindelegger nachfolgt, wird im Parteivorstand diskutiert. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner gilt als heißer Kandidat. Es ist aber nicht ausgeschlossen, das Ministeramt und Parteivorsitz getrennt werden.

26 Aug 2014

AUTOREN

Ralf Leonhard

TAGS

Österreich
Rücktritt
Finanzpolitik
ÖVP
Jörg Haider
Schwerpunkt Landtagswahlen
Schwerpunkt Eurovision Song Contest
Griechenland
Österreich
Österreich
Österreich

ARTIKEL ZUM THEMA

Skandalbank Hypo Alpe Adria: Bankenrettung in Düsseldorf

DüsselHyp gerät in Bedrängnis, weil Österreich Zahlungen der Hypo Alpe Adria einstellt. Das kommt der deutschen Einlagensicherung teuer zu stehen.

Landtagswahl in Vorarlberg: Im Zwergenland

Der SPÖ kamen im Westen Österreichs erst die Gimmicks, dann die Wähler abhanden. Die ÖVP verliert ihre absolute Mehrheit, die Grünen legen zu.

Kommentar Österreich und der ESC: Ein Land erkennt sich selbst

Weltoffen und tolerant? Conchita Wurst hat gezeigt, dass die österreichische Gesellschaft viel weiter ist als ihre politische Elite glauben macht.

Neue Kreditrate für Griechenland: 6,3 Milliarden noch im April

Monatelang verhandelte die Geldgeber-Troika in Athen über Sparkurs und Reformen. Nun können neue Zahlungen in Milliardenhöhe fließen.

Große Koalition steht: Einfallslos in Österreich

SPÖ und ÖVP haben sich geeinigt. Sparsam wollen sie sein, aber sonst so gut wie nichts verändern. Auch das Personal bleibt fast dasselbe.

Kommentar Wahlen in Österreich: Rechts abgebogen

Auf den ersten Blick bleibt alles beim Alten. Beim zweiten wird deutlich, dass die fremden- und europafeindlichen Politiker gewonnen haben.

Parlamentswahl in Österreich: Die kleinste große Koalition

Die Große Koalition aus SPÖ und ÖVP dürfte das Land weiterhin regieren. Die Freiheitlichen legen deutlich zu und die Grünen kommen kaum vom Fleck.