taz.de -- Die Wahrheit: Ohne Ohrfeigen bleibt nur Suizid
Neues aus Neuseeland: Demnächst wird gewählt in Aotearoa. Man sollte sich die Kandidatenliste vorher genau ansehen. Sie wimmelt von Halunken.
Nächste Woche Samstag müssen die Kiwis ihr Kreuzchen machen. Die Beklopptenrate steigt täglich, nicht nicht nur dank Krawallklops Kim Dotcom, der zuletzt von seinem früheren Bodyguard als egomanischer Manipulator geoutet wurde. Nein, es wagen sich auch Gestalten auf die Abgeordnetenlisten, denen man wünscht, dass sie nie die Berufsbezeichnung „Politiker“ erhalten.
Besonders hervor tut sich die kleine Conservative Party, die für Law and Order steht und hofft, erstmals über die Fünfprozenthürde zu kommen. Einer ihrer Leute droht, beim Einzug ins Parlament von seinem Recht Gebrauch zu machen, anonym verurteilte Straftäter öffentlich beim Namen zu nennen. „Ich werde mein parlamentarisches Privileg voll nutzen“, tönt der Mann. „Sonnenlicht ist das beste Reinigungsmittel, und ich werde eine Menge davon verstrahlen.“
Der selbsternannte Flammenwerfer ist noch harmlos im Gegensatz zu Edward Saafi, der fünfte der Kandidaten auf der Conservative-Liste. Drei Wochen vor der Wahl tat der bis dato Unbekannte sich lautstark mit einer grotesken These hervor: Ein Gesetz, das seit 2007 das Prügeln von Kindern unter Strafe stellt, sei die Ursache allen Übels – von Prostitution über Geschlechtskrankheiten bis zum Suizid von Jugendlichen.
Edward Saafi, der immerhin die Doktorwürde als Biochemiker besitzt, scheint auf anderen Gebieten nicht immer die größten Gehirnleistungen zu erbringen. „Wir sehen, dass die Selbstmordrate in den pazifischen Gemeinden steigt“, kombiniert Saafi, der aus dem Südseestaat Tonga stammt. Grund dafür sei der Verlust der elterlichen Autorität, die seit Inkrafttreten des Anti-Ohrfeigen-Gesetzes dramatisch schwände. „Statt das zu tun, was Mutter und Vater sagen, bringen Kinder sich um. Wenn das Gesetz ihnen sagt, dass die Eltern sie nicht mehr züchtigen können, machen sie einfach, was sie wollen. Es eröffnet ihnen andere Alternativen – wie Selbstmord.“ Seine steile These hält Saafi für „gesunden Menschenverstand“.
Damit nicht genug. Die Legalisierung der Prostitution in Neuseeland sei mindestens genauso gefährlich wie das Verbot der Prügelstrafe. Beides habe dazu geführt, dass Teenager „sich nachts aus dem Hause schleichen, um sich etwas Taschengeld dazu zu verdienen“.
Saafis Vorstellung von Sodom und Gomorrha heißt Sodom und Gonorrhö. Auf seiner Facebookseite warnt er vor gefährlichen Geschlechtskrankheiten, deren Anstieg „eine klare Botschaft an die menschliche Gesellschaft“ sei. „Kondom statt Sodom!“, will man ihm in all dem wirren Wahnsinn zurufen – und hofft, dass der erzkonservative Faktenverdreher es nie, nie, nie ins Parlament schafft.
Es lohnt in jedem Fall, sich vor dem Wahltag die Kandidatenliste genauer anzugucken. So taucht bei der Internet-Mana-Partei ein gewisser James Papali’i auf, ein verurteilter Betrüger. Und schon vor vier Jahren trat der ACT-Abgeordnete David Garrett zurück. 25 Jahre zuvor hatte er die Identität eines verstorbenen Kindes benutzt, um an einen Pass zu kommen.
11 Sep 2014
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