taz.de -- Die Wahrheit: Im Frühwald

Donnerstag ist Gedichtetag auf der Wahrheit. Heute darf sich die Leserschaft an einem Poem über die morgendliche Natur und ihre Bewohner erfreuen.
Bild: Im Frühwald.

Die Bäume stehen schlummernd in den Moosen.

Es ruht der See, die Luft ist schläfrig lau.

Ein jedes Grün verdämmert sich in Grau.

Die Farne tragen Tau-Pyjamahosen.

Der Nebel liegt noch bettwarm auf den Wegen.

Die Wege liegen wirr umarmt verschlungen.

Frau Wildschwein hat sich Ausschlaf ausbedungen.

Herr Hase mag so früh sich nicht bewegen.

Der Dachs beschläft die Dächsin in der Erde.

Die Füchsin träumt sich nackt im Hühnerhaus.

Freund Eule muss zum dritten Mal kurz raus

und träumt danach vom wilden Ritt zu Pferde.

Frau Bärin ratzt auf manikürten Tatzen.

Herr Marder macht nicht viel Brimborium

und dreht sich nach dem Wecken noch mal rum

auf flauschig weichen Marderhaarmatratzen.

Man schnarcht und sägt in Försters Meisenkästen.

Dem Nashorn klebt der Schlaf das Auge zu.

Kein Sänger singt. Nichts stört die Morgenruh.

Die Amseln hängen tiefentspannt an Ästen.

Doch horch! Da kommt ein Joggersmann daher,

der will auf schönstes Walderleben hoffen.

Das wird um diese Uhrzeit aber schwer:

So früh hat doch der Wald noch gar nicht offen!

11 Sep 2014

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P. Neuhaus

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