taz.de -- Freihandelsabkommen TTIP und Ceta: Minimale Änderungswünsche

Ein Geheimprotokoll legt nahe: Deutschland stimmt dem umstrittenen Investorenschutz zu. SPD-Politiker lehnen Schiedsgerichte ab.
Bild: Hat ein taktisches Verhältnis zum geplanten Freihandelsabkommen TTIP: Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD)

BERLIN taz | Die Haltung von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) wirkt verwirrend: In der Öffentlichkeit äußert er sich häufig kritisch über die geplanten Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada, TTIP und Ceta. Am Mittwoch etwa schrieb er auf seiner Facebookseite, dass es in den Abkommen „auf gar keinen Fall“ einen Investitionsschutz geben dürfe, der „die Möglichkeit bietet, Gesetze oder die Willensbildung in einem demokratisch gewählten Parlament auszuhebeln“.

Bisher sehen beide Freihandelsabkommen vor, dass amerikanische und kanadische Konzerne vor internationalen Schiedsgerichten gegen europäische Staaten klagen können, wann immer die Firmen ihre „legitimen Erwartungen“ auf Profit geschmälert sehen.

Doch so kritisch Gabriel öffentlich zu sein scheint – in einem internen Vermerk klingt das Bundeswirtschaftsministerium deutlich entspannter, wenn es um den Investitionsschutz geht. Am vergangenen Freitag tagte in Brüssel der Handelspolitische Ausschuss des EU-Rats, wo die europäischen Mitgliedstaaten erstmals das weitgehend fertige Freihandelsabkommen mit Kanada bewerteten.

Wie dem geleakten Sitzungsprotokoll zu entnehmen ist, hatte Deutschland beim Thema Investitionsschutz keine grundsätzlichen Bedenken, sondern merkte nur ein paar Details an. So soll verhindert werden, dass Finanzinvestoren klagen können, wenn Pleitebanken unter staatlicher Regie abgewickelt werden oder wenn europäische Staaten ihre Schulden nicht mehr bedienen können. Zudem will Deutschland sicherstellen, dass die Steuerpolitik ausgenommen wird.

„Das untergräbt unseren Rechtsstaat“

Das Bundeswirtschaftsministerium sieht darin keinen Widerspruch zu Gabriels öffentlicher Haltung. „Unsere grundsätzliche Einschätzung ist nicht abgeschlossen“, sagte ein Sprecher. Aus der SPD gibt es derweil Druck, dass der Wirtschaftsminister hart bleibt. „Wenn im Ceta-Abkommen eine sogenannte Investitionsschutzklausel enthalten ist, dann sollten wir das schnellstens in Brüssel stoppen“, sagte der Berliner SPD-Chef Jan Stöß der taz. „Das untergräbt unseren Rechtsstaat.“

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Frank Schwabe ist sicher: „Mit Investionsschutzklauseln gibt es keine Zustimmung der deutschen und europäischen Sozialdemokraten. Für die außerparlamentarischen Kritiker wird es allerdings schwieriger, gegen die Freihandelsabkommen vorzugehen. Am Donnerstag entschied die EU-Kommission, dass sie eine europäische Bürgerinitiative gegen TTIP nicht zulässt. Um die dafür notwendigen eine Million Unterschriften zu sammeln, hatten sich 230 Organisationen in 21 EU-Ländern zum Bündnis „Stop TTIP“ zusammengeschlossen.

Die EU-Kommission begründete die Nichtzulassung damit, dass sie bei TTIP und Ceta keine Rechtsakte vornehme. Das Bündnis erwägt nun, vor den Europäischen Gerichtshof zu ziehen: „Würde diese Rechtsauffassung Bestand haben, hieße das im Klartext: Der Bevölkerung sind bei der Entwicklung internationaler Verträge die Hände gebunden.“

11 Sep 2014

AUTOREN

Ulrike Herrmann
Malte Kreutzfeldt

TAGS

Schwerpunkt TTIP
Sigmar Gabriel
CETA
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP

ARTIKEL ZUM THEMA

Rückschlag für Freihandelsabkommen: Bundesregierung legt Ceta auf Eis

Laut einem neuen Gutachten darf die EU-Kommission das Abkommen mit Kanada nicht allein abschließen. Die nationalen Parlamente sollen mitreden.

Parteikonvent der SPD zu TTIP: Ja, mit Einschränkungen

Der Konvent billigt ein Positionspapier, dass die Parteispitze mit dem DG ausgehandelt hat. Die Verhandlungen zum Freihandel gehen also weiter.

TTIP-Gegner ziehen vor EuGH: Für das Recht auf Bürgerbegehren

Die EU-Kommission stoppte ein europaweites Begehren gegen das Freihandelsabkommen. Dagegen klagen die Aktivisten nun – und sammeln Unterschriften.

Berliner SPD-Chef über Ceta-Abkommen: Investitionsschutz nicht mit der SPD

Jan Stöß, Chef der Berliner Sozialdemokraten, über seinen Widerstand gegen das EU-Freihandelsabkommen mit Kanada, Standards und Sigmar Gabriel.

Kommentar Investitionsschutz TTIP: Keine Bananenrepublik

Wenn der Investitionsschutz gestrichen wird, sind die EU-Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada vom bösesten Teil befreit.

Umstrittene Passagen bei TTIP: Keine Paralleljustiz für Konzerne

Teil des TTIP-Abkommens sollten Sondergerichte für Konzerne sein, um deren Profite zu schützen. Das wollen die EU-Sozialdemokraten verhindern.

US-Staatssekretärin über TTIP: „So funktioniert ein freier Markt“

Catherine Novelli verteidigt das geplante Abkommen. Sie positioniert sich zum Investitionsschutz sowie zum Genfood-Verkauf in Europa und bemängelt die europäische Kritik.

Freihandelsabkommen TTIP: US-Farmen bedrohen EU-Höfe

Europäische Bauern verdienen weniger, falls TTIP kommt. Das errechnete das ifo Institut. Vom Abkommen rät es dennoch nicht ab.

Studie zu TTIP und Ceta: Kommunen werden kaputtgemacht

Deutsche Kommunen verlieren durch Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada an Einfluss. Die politische Gestaltungsmacht wird ausgehebelt.

EU-Kanada-Freihandelsabkommen Ceta: Die Blaupause für TTIP

Der Handelsvertrag mit Kanada gleicht dem umstrittenen Pakt mit den USA: Investoren werden geschützt, Menschenrechte und Sozialstandards nicht.

„Tagesschau“ leakt Ceta-Vertrag: Mehr Macht für Konzerne

Der Text zum EU-Kanada-Abkommens Ceta bestätigt Befürchtungen der Kritiker. Enthalten sind weitreichende Klagerechte für Konzerne.