taz.de -- Vor der Volksabstimmung in Schottland: Für Großbritannien wird es eng

Vor dem schottischen Referendum gibt es keine klare Tendenz. Eine Unabhängigkeit könnte ökonomische und militärische Folgen für England haben.
Bild: Schottland könnte am 18. September unabhängig werden.

LONDON rtr | Eine Woche vor der Volksabstimmung über die Unabhängigkeit Schottlands liegen die Gegner einer Loslösung wieder vorn. In einer am Donnerstagabend veröffentlichten Umfrage des Instituts YouGov sprachen sich 52 Prozent der Befragten für den Verbleib im Vereinigten Königreich aus, 48 Prozent waren dagegen.

Eine am vergangenen Wochenende veröffentlichte YouGov-Umfrage hatte erstmals die Befürworter der Unabhängigkeit in Front gesehen, wenn auch nur knapp mit 51 zu 49 Prozent. Das hatte zu erheblichen Anstrengungen der britischen Regierung geführt, für einen Verbleib Schottlands im Königreich zu werben. An den Finanzmärkten hatte das Ergebnis der Umfrage für Turbulenzen gesorgt.

Ein Ausscheiden Schottlands aus dem Vereinigten Königreich würde für Großbritannien weit mehr als den Verlust von einem Drittel seiner Landmasse bedeuten. Wenn Schottland beim Referendum am kommenden Donnerstag dem Königreich den Rücken zukehren sollte, will der schottische Regierungschef Alex Salmond die bei den Schotten wenig beliebten Atomwaffen bis zum Jahr 2020 aus dem Land haben.

Der von Salmond geforderte Abzug der mit Atomraketen ausgerüsteten britischen U-Boot-Flotte aus Schottland stellt Großbritanniens Weltmachtstatus in Frage. Dass zu jeder Zeit mindestens ein britisches Atomraketen-U-Boot einsatzbereit in den Weltmeeren patrouilliert, gehört zu den Grundpfeilern der britischen Angriffs- und Verteidigungsbereitschaft. Auch in der Nato kommt Großbritannien durch die Atomwaffen eine große strategische Bedeutung zu.

Referendum am kommenden Donnerstag

Die schottische Regionalregierung, die beim Referendum am kommenden Donnerstag eine Loslösung von England erreichen will, setzt in Fragen von Wirtschaft und Finanzen voll auf die Rohstoffe unter dem Meer. London dagegen warnt, dass es mit den Fördermengen und somit den Steuereinnahmen deutlich bergab gehe.

Die Investitionen der Branche erreichten im vergangenen Jahr noch ein Rekordhoch von 14,4 Milliarden Pfund. Hohe Ölpreise und attraktive steuerliche Bedingungen könnten weitere Geldgeber anziehen; zudem könnten die Entdeckung neuer Vorkommen und eine effizientere Ausbeutung der bereits bekannten Öl- und Gasfelder, den Niedergang bremsen.

Im optimistischsten von mehreren Szenarien rechnet die schottische Regierung mit Steuereinnahmen aus der Öl- und Gasbranche von 38,7 Milliarden Pfund in den nächsten fünf Jahren. Dagegen verbreitet die Regierung in London, die sich gegen die Unabhängigkeit Schottlands ausspricht, eine Schätzung von 17,6 Milliarden Pfund für denselben Zeitraum.

Doch langfristig, sagen Experten, gehe es auf jeden Fall bergab. Rohstoffkonzerne schauten sich bereits anderswo nach billigeren Fördermöglichkeiten um. Somit kann sich die schottische Regierung, sollte sie die erhoffte Unabhängigkeit erreichen, zwar vorerst noch über erhebliche Steuereinnahmen aus dem Rohstoffgeschäft freuen. Langfristig aber wird sie sich wohl andere Einnahmequellen suchen müssen. Die Abstimmung ist am 18. September.

12 Sep 2014

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