taz.de -- Berliner Szenen: Mittelpunkt einer Wolke

Dicke Eier und was Neues am Fuß in der U-Bahn: Fußvergleich zweier Jungs, von denen einer neue Schuhe hat.
Bild: Hey, Jungs, seid ihr das dahinter?

Die beiden Jungs, die mit uns am Hermannplatz in die U-Bahn eingestiegen sind, haben unfassbar dicke Eier. Zumindest signalisiert ihre Körperhaltung das, oder zumindest hab ich das Gefühl, es würde sie sehr freuen, wenn ihre Körperhaltung das signalisieren würde.

Die beiden sind so um die 13 oder 14, und sie sind vielleicht nicht der Mittelpunkt der Welt, aber allermindestens der Mittelpunkt einer Wolke aus Männerdeo, das sie sich vermutlich, wie man das in dem Alter macht, auf die Klamotten gesprüht haben, und zwar sicherheitshalber eine halbe Dose Deo pro Junge. So sitzen sie da, so breitbeinig wie nur geht.

Der eine von beiden hat neue Turnschuhe. Große, schneeweiße, sehr saubere, fast blendende, neue Schuhe. Alle paar Augenblicke fummelt er an den Schuhen und schiebt seine Socken tief in die Schuhe, sodass man die Socken nicht sieht, nur die Schuhe und die zarten, glatten Beinchen, die drinstecken.

Der andere sagt, er will sich auch bald neue Schuhe kaufen, „hab auch überlegt, so weiße“, und dann halten sie ihre Füße aneinander, um zu gucken, wer größere Füße hat, oder jedenfalls größere Schuhe. Der mit den neuen Schuhen gewinnt. Dann reden sie über einen anderen Jungen. „Er kauft immer H&M“, sagt der mit den älteren Schuhen, „so hässlich, was geht?“

„So hässlich“, sagt der mit den neuen Schuhen, „das Einzige, was ich bei H&M kaufe, sind Boxers.“ – „Und Socken.“ – „Ja, Socken auch.“ Dann macht der mit den älteren Schuhen seine Jacke auf. „Ich war letztens bei [Name eines Ladens, den die Autorin nicht verstanden hat]“, sagt er, „da hab ich das T-Shirt her.“ Er zupft sich am T-Shirt. Der andere guckt das T-Shirt an und sagt: „Öh?“ – „Was?“ – „Gibt’s da auch für Kinder?“ – „Ja, Mann, Kinder ist im ersten Stock.“ – „Schwör“, sagt der mit den neuen Schuhen, lehnt sich zurück und grabbelt sich am Sack, „muss ich auch mal hin.“

19 Sep 2014

AUTOREN

Margarete Stokowski

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