taz.de -- Radfahren aus Protest: Polizei will Luft ablassen

Die beliebten Critical-Mass-Aktionen sind rechtlich umstritten. Die Hamburger Polizei ermittelt nun wegen einer Fahrradtour in Harburg.
Bild: Politisches Gemeinschaftserlebnis: Critical Mass in Hamburg

Zur Critical Mass (CM), dem gemeinsamen Fahrrad fahren, treffen sich monatlich mehrere tausend Menschen in Hamburg. Eine Liebe, die jedoch nicht von allen erwidert wird. Die Polizei ermittelt wegen einer Critical Mass in Harburg gegen unbekannt.

Auf [1][Hamburg.de], „offizielles Stadtportal für Hamburg“ unter städtischer Beteiligung, werden in einem ausführlichen Artikel die Hintergründe des Konzepts und der typische Ablauf einer Critical Mass erklärt. Oder vielmehr wurden, denn im Laufe des Montags verschwand der Artikel plötzlich kommentarlos von der Webseite. Auch die Seiten, auf denen die nächsten Treff und Startpunkte zum gemeinsamen Radeln veröffentlicht werden, waren dort verlinkt. Die wichtigen Sätze waren folgende: „Dabei gelten die monatlichen Aktionen explizit nicht als Demonstration“, hieß es, und: „Daher bestehen weder Anmeldepflicht noch Auflagen.“

Juristisch also eine klare Sache? Die Polizei Hamburg sieht das nicht so. Sie hat nach einer Critical Mass mit etwa 50 Teilnehmenden in Harburg ein Strafverfahren wegen der Abhaltung einer nicht angemeldeten Versammlung eingeleitet. Vorgeladen sind, derzeit noch als Zeugen, die zwei BetreiberInnen eines Blogs, auf dem für die Veranstaltung im August geworben wurde. Die Polizei ermittelt gegen unbekannt, wie Karina Sadowsky von der Polizeipressestelle bestätigt. Das sei auch üblich. „Polizei und Staatsanwaltschaft werten Critical Masses als Versammlungen im Sinne des Versammlungsgesetzes“, sagt Sadowsky. „Jedes Mal werden Strafanzeigen gegen unbekannt gefertigt.“ Im Harburger Fall kann so nicht ausgeschlossen werden, dass die Zeugenvorladungen nur der erste Schritt sind und die BlogbetreiberInnen möglicherweise zu Beschuldigten einer Straftat werden könnten.

Die Radtour in Harburg war die erste ihrer Art südlich der Elbe und wurde von der Polizei begleitet. Die RadlerInnen mussten zwar keinen Veranstalter benennen, wie ursprünglich von den BeamtInnen gefordert, aber einen Routenverlauf absprechen. An diesen hielten sich die RadlerInnen, ganz dem CM-Konzept entsprechend, nicht immer: Wo es lang geht, entscheiden die, die vorne fahren.

Jörg Schmoll, stellvertretender Senatssprecher, legt Wert darauf, dass es sich bei dem Artikel auf [2][Hamburg.de] nicht um offizielle Werbung der Stadt Hamburg gehandelt hat. Die Inhalte auf der Seite könnten nicht vollständig der Stadt zugerechnet werden. „Es gibt einen staatlichen Bereich, auf den wir Zugriff haben, und einen privaten“, sagt Schmoll.

Die Entscheidung, wie Critical Masses zu bewerten und wie mit ihnen umzugehen sei, liegt bei der Polizei. Die rechtliche Grundlage für die Aktionsform bildet der Paragraf 27 der Straßenverkehrsordnung. Mehr als 15 RadfahrerInnen können einen geschlossenen Verband bilden und gelten als ein einziges großes Fahrzeug.

29 Sep 2014

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[1] http://Hamburg.de
[2] http://Hamburg.de

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