taz.de -- Italien will TTIP entschärfen: Freihandel in der Light-Version

Strittige Punkte wie den Investorenschutz und Chlorhühnchen sollen außen vor bleiben, sagt Italien. Die EU-Kommission ist dagegen.
Bild: Mit oder ohne Chlor, das ist hier Frage

BRÜSSEL taz | Angesichts des wachsenden Widerstands gegen das geplante Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP) denkt die EU über Alternativen nach. Im Gespräch ist ein Interimsabkommen, das umstrittene Fragen wie den Investorenschutz (ISDS) ausklammern könnte. Italien ist dafür, die EU-Kommission dagegen – Ausgang ungewiss.

„Das geht doch gar nicht.“ So reagierte ein Insider der Kommission auf den Plan des italienischen Ratsvorsitzes, TTIP noch in diesem Jahr in einer abgespeckten Fassung zu verabschieden. Bisher hätten die EU und die USA nur die Hälfte ihres Verhandlungspensums geschafft. Es gebe nicht genug Substanz für ein Interimsabkommen.

Das sehen die Italiener ganz anders. „Wenn wir ein allumfassendes Freihandelsabkommen anstreben, könnte das auf Jahre von einigen strittigen Themen blockiert bleiben, während es andererseits auf vielen anderen Teilgebieten Einigkeit gibt“, sagte Carlo Calenda, italienischer Vizeminister für Außenhandel, der [1][FAZ]. Daher sei es sinnvoll, Streitthemen auszuklammern.

Neben ISDS gehören dazu nach italienischer Auffassung vor allem Chlorhühnchen und andere unappetitliche Produkte der Nahrungsmittelindustrie. Auch strittige Themen wie Kultur und Finanzdienstleistungen könnten zurückgestellt werden. Stattdessen will Rom den Energiemarkt in das „TTIP-light“-Abkommen aufnehmen – damit sich die EU schnell von russischem Gas unabhängig machen kann.

Anhänger findet diese Idee offenbar auch im Europaparlament. Der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD), macht sich hinter den Kulissen für eine Zwischenlösung stark. Dahinter steht die Überlegung, dass sich die USA wegen der Kongresswahl im November dieses Jahres nicht mehr bewegen werden. Umgekehrt könnte das EU-Parlament beim Streit über TTIP endlich die Initiative ergreifen. Bisher schauen die meisten Abgeordneten dabei in die Röhre. Nur einige handverlesene EU-Parlamentarier werden über die Verhandlungen informiert. Einfluss auf das Ergebnis haben sie kaum.

Allerdings sind nicht alle einverstanden mit dem Vorstoß. „Ein „Mini-TTIP“ kann sich schnell als trojanisches Pferd erweisen“, warnt die grüne Handelsexpertin Ska Keller. Denn mit Rendezvous-Klauseln (Wiedervorlage bisher ausgeklammerter Themen) könne das Abkommen stetig ausgeweitet werden und „letztendlich alles das umfassen, was jetzt aus PR-Gründen entfallen“ würde.

6 Oct 2014

LINKS

[1] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/freihandelsabkommen-italien-will-die-chlorhuehnchen-ausklammern-13190716.html

AUTOREN

Eric Bonse

TAGS

Schwerpunkt TTIP
EU-Kommission
Italien
Investitionsschutz
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Italien
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP
Schwerpunkt TTIP

ARTIKEL ZUM THEMA

Falsche Freihandels-Versprechungen: TTIP kann zum Jobfresser werden

Jede Menge neue Arbeitsplätze solle das Freihandelsabkommen von EU und USA bringen, hieß es bislang. US-Forscher sagen etwas anderes.

Klagen gegen Ceta und TTIP: Weckruf für das Verfassungsgericht

Schon 231 Bürger haben Verfassungsbeschwerde gegen die geplanten Freihandelsabkommen eingereicht. Für „Mehr Demokratie“ sind die Klagen „verfrüht“.

Initiative gegen Freihandelsabkommen: Der Druck wächst

Die Beteiligung an der Onlinekampagne gegen TTIP und Ceta übertrifft alle Erwartungen. Trotzdem gibt es Streit unter den Kritikern.

Arbeitsmarktreform in Italien: Eile gegen Kündigungsschutz

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi nutzt die Vertrauensfrage, um die umstrittene Arbeitsmarktreform durchs Parlament zu peitschen.

Kommentar TTIP und CETA: Kein Vertrauen in die Freihändler

Allen Aussagen der Politiker zum Trotz: Keinem der Verhandler kann vertraut werden, denn sie tagen im Geheimen

Transatlantischer Freihandel: EU kündigt Kehrtwende bei TTIP an

Die EU und Kanada feiern das Freihandelsabkommen Ceta. Gleichzeitig kippt die EU-Handelskommissarin offenbar beim umstrittenen Investorenschutz.

EU-Freihandelsverträge mit Nordamerika: Weniger Investorenschutz bei TTIP

Die neue EU-Handelskommissarin Cecilia Mahlström will die umstrittenen ISDS-Klauseln im Abkommen mit den USA streichen. Für den Ceta-Vertrag mit Kanada ist das zu spät.

SPD und Freihandelsabkommen TTIP: Hinter verschlossenen Türen

In einem SPD-Beschluss steht, die TTIP-Verhandlungen müssten „mit größtmöglicher Transparenz geführt werden“. Das sollte auch für die Partei gelten.

TTIP-Gegner ziehen vor EuGH: Für das Recht auf Bürgerbegehren

Die EU-Kommission stoppte ein europaweites Begehren gegen das Freihandelsabkommen. Dagegen klagen die Aktivisten nun – und sammeln Unterschriften.