taz.de -- Die Wahrheit: Der rechte Fuß des Unsichtbaren
Auf der grünen Insel wird ein Fußballer gefeiert, den alle schon abgeschrieben hatten. Bis die deutsche Ersatzelf kam.
Es war ein großartiges Fußballspiel zwischen Deutschland und Irland am vorigen Dienstag. Gegen tapfere, aber biedere Deutsche gelang dem Abwehrspieler John O’Shea in seinem 100. Spiel für Irland in letzter Sekunde der 1:1-Siegtreffer. Es war wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht, oder frei nach Klaus Lage: „99 Mal gespielt, 99 Mal ist nix passiert. Doch in der 100. Nacht hat es Zoom gemacht.“
Ausgerechnet O’Shea. Irlands Co-Trainer Roy Keane hatte ihm vor Kurzem bescheinigt, dass er „wie ein Clown“ spiele. Andere schrieben über ihn, dass er „höflich wie ein Butler“ sei, und diese Gleichmut mache ihn meistens unsichtbar. „Ein leeres Taxi fuhr vor, und John O’Shea stieg aus“, meinte ein Reporter einmal gehässig. Nach seinem Siegtor gegen Deutschland ist ihm ein Platz in der irischen Ruhmeshalle sicher.
Ich habe beide Tore verpasst. John und ich sahen uns das Spiel im Lehrergewerkschaftsclub in der Dubliner Innenstadt an, weil der nicht nur gemütlich ist, sondern auch einen großen Fernseher und vor allem preiswertes Bier hat. Trinken wir fünf Bier, haben wir das sechste praktisch kostenlos, wenn man die Preise in anderen Innenstadtkneipen als Vergleich heranzieht, dachten wir und machten uns sogleich an die Umsetzung unseres Sparplans.
Zur Halbzeit in Gelsenkirchen hatten wir ihn zur Hälfte erfüllt. Zwanzig Minuten vor Schluss stand ich an der Bar, um unser sechstes Freibier zu holen, als ein kollektiver Seufzer durch den Saal ging: Toni Kroos hatte mit einem Glücksschuss ein Tor erzielt, berichtete man mir, als ich mit den Getränken zurückkam.
In der zweiten Minute der Nachspielzeit hielt ich es nicht mehr aus, mit urinfarbenen Augäpfeln rannte ich zur Toilette. Während ich das Bier seinem letzten Bestimmungsort zuführte, drang ein gellender Schrei aus der Kneipe. Ich hastete zurück und sah gerade noch in der Zeitlupenwiederholung O’Sheas Siegtreffer.
Es war eins der seltenen Spiele, bei denen ein 1:1-Sieg nur mit einem Punkt für das siegreiche Team gewertet wird. Dennoch sind die Iren nun Erster in der Gruppe D, hinter Polen, drei Punkte vor Deutschland. Theoretisch sind sie also besser als der Weltmeister, jubelte die irische Presse und erklärte Irland flugs zur größten Fußballnation der gesamten Erde.
Für die Journalisten war die Nachspielzeit eine Katastrophe. Sie durften ihre Artikel in allerletzter Sekunde umschreiben. Als sie glaubten, die Arbeit wäre getan, der Text nur noch abzuschicken, da vermasselte ihnen O’Shea das Feierabendbier. Hei, wie da in die Tasten gehauen werden musste, um Irlands 1:1-Sieg zu erklären!
Nach Informationen des Nachrichtenportals „Waterford Whispers“ soll Angela Merkel am Wochenende wegen der deutschen Niederlage ihren Rücktritt eingereicht haben. Der irische Premierminister Enda Kenny habe ihren Rücktritt sofort angenommen. Und John O’Shea, der aus Waterford stammt, habe der Universität seiner Heimatstadt im Falle seines Todes seinen rechten Fuß zu Forschungszwecken vermacht.
20 Oct 2014
AUTOREN
TAGS
ARTIKEL ZUM THEMA
Als das Flugzeug in Manchester landete, fiel uns wieder ein, warum wir Paula und ihre Familie jahrelang gemieden hatten.
Dass irische Politiker korrupt sind, weiß jeder auf der grünen Insel. Dass sie auch massiv Steuern hinterziehen, hätte man sich denken können.
Touristen irren in Irland auf der marketingtechnisch seit neuestem voll ausgeschlachteten 2.500 Kilometer langen Küstenstraße ihrem Schicksal entgegen.
Was ist der Unterschied zwischen Engländern und Schotten? Die einen haben Sex nur mit Heizdecken, die anderen haben ihn erfunden.
Eine „demokratische Revolution“ hatte die Regierungskoalition aus Fine Gael und Labour den Iren versprochen. Und: keine Korruption mehr.
Die Finnenwoche der Wahrheit: Iren und Finnen sind sich gar nicht so unähnlich. Würden die Nordleute nicht immer alles gleich wörtlich nehmen.
Nichts interessiert die Iren so sehr wie die Nationalen Meisterschaften im Pflügen. Dafür kommen sie in Massen aus aller Welt nach Ratheniska in der Grafschaft Laois.