taz.de -- Medienmanipulation in Mexiko: Verdoppelt und geschönt

In Mexiko werden Titelseiten regelmäßig digital verändert – vor allem dann, wenn sie regierungskritisch sind. Zufall ist das nicht.
Bild: Was ist Original? Was Fälschung?

Mexiko-Stadt – Mord, Entführung, Verschleppung – das sind Drohungen, mit denen Journalisten regelmäßig konfrontiert werden. Doch in den vergangenen Monaten verwenden Kriminelle eine neue Strategie, um die Pressefreiheit in dem lateinamerikanischen Land zu gefährden: Medienklonen, eine gewaltfreie, aber effektive Strategie.

Dabei wird das Design von Titelseiten oder kompletten Zeitschriften kopiert, an den Zeitschriftenständen ausgelegt oder in sozialen Netzwerken geteilt – nur Inhalt und Schlagzeilen fallen deutlich positiver, meist zu Gunsten von Politikern und organisiertem Verbrechen aus.

Das erste Opfer dieser neuartigen Vorgehensweise ist die Zeitschrift Luces del Siglo mit Sitz im Urlaubsort Cancún. Innerhalb der vergangenen zwei Jahre ist der komplette Inhalt der gedruckten Fassung sechs Mal geklont worden, die Titelseite des Politikmagazins sogar 43 Mal, bestätigt die Herausgeberin der Zeitschrift, Norma Madero.

So zum Beispiel in einer September-Ausgabe: die Originalversion bezichtigte den Gouverneur des Bundesstaats Quintana Roo Roberto Borge, seine Wahlversprechen nicht eingehalten zu haben. Der Klon dagegen rühmte die vielen Verdienste desselben.

Titelseite 43 Mal geklont

Dazu kamen Umstände, die die Zeitschrift Stück für Stück vom Markt drängten: Dabei würde es oft vorgekommen, dass einzelne Personen alle Original-Exemplare aufgekauft hätten, sagt die Herausgeberin. Als schließlich eine der größten Mini-Markt-Ketten Mexikos die Zeitschrift erst verschenkte und sich später weigerte, sie weiterhin zu vertreiben, beschloss Norma Madero, ihre Zeitschrift nicht länger zu drucken. Die Leidtragenden sind für sie ihre Leser, denen das Recht auf unabhängige, kritische Information verwehrt bliebe. Bei vielen ihrer Kunden hätten die Klone für so viel Verwirrung gesorgt, dass sie die Zeitschrift nicht länger lesen würden.

Seit zwei Monaten erscheint Luces del Siglo nur noch digital, doch geklont wird noch immer. „Vor allem die Titelseiten tauchen mit veränderten Schlagzeilen auf und werden von Regierungsmitarbeitern regelmäßig in den sozialen Netzwerken verbreitet“, sagt die Journalistin. Madero vermutet, dass Roberto Borge, der Gouverneur des Bundesstaats Quintana Roo, hinter den Klonen steckt. Genau wie Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto gehört Borge der Partei PRI an. Die Klone scheinen immer gerade dann aufzutauchen, wenn die Ausgabe regierungskritische Themen behandle. „Unser Fall ist das perfekte Beispiel für den Autoritarismus und die Unterdrückung, mit der wir hier in Quintana Roo leben müssen“, sagt Madero, „wer kritisiert, wird zum Schweigen gebracht.“

Die Regierung selbst weist die Anschuldigungen zurück. „Die Journalisten wollen die Regierung schmähen, indem sie sich als Opfer verkaufen und Angriffe auf die Pressefreiheit erfinden“, wird der Innenminister des Bundesstaats Gabriel Mendicuti in einer Pressemeldung der Landesregierung von Quintana Roo zitiert. Ihm zufolge sind die Anschuldigungen Teil einer von Norma Madero initiierten Medienkampagne gegen die Regierung und die PRI mit dem Ziel, der gegnerischen Linkspartei PRD in den bevorstehenden Landeswahlen einen Vorteil zu verschaffen.

Die Verleumdung

Für die Journalistenorganisation Artículo 19 ist das längst kein Einzelfall und ein schwerwiegender Verstoß gegen die Pressefreiheit. „In den vergangenen zwei Jahren sind Journalisten im Bundesstaat Quintana Roo gehäuft von Regierungsmitarbeitern eingeschüchtert und bedroht worden“, sagt Iván Baez, der den Fall betreut. Soziale Netzwerke würden dazu missbraucht, kritische Journalisten zu verleumden und die Wahrheit zu verzerren. „Es ist höchst besorgniserregend, dass die Regierung versucht, den Journalisten die Schuld in die Schuhe zu schieben, anstatt die Pressefreiheit zu schützen und zu gewährleisten.“

Norma Madero will nicht schweigen. Sie hat bei der nationalen und interamerikanischen Kommission für Menschenrechte schon längst Beschwerde eingereicht und auch die Generalstaatsanwaltschaft prüft den Fall. „Eine intolerante und korrupte Regierung kannst du nur mit Fakten schlagen.“ Im Januar will Madero ihre Zeitschrift wieder drucken – für Abonnenten ausschließlich.

8 Dec 2014

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Maria Hagen

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