taz.de -- Protestchen gegen Lübecker G7-Treffen: Lübeck im Ausnahmezustand

Außenminister-Gipfel bringt viel Polizei in die Hansestadt – aber zunächst kaum Demonstranten.
Bild: Überwältigende Polizeipräsenz: Polizisten bewachen die G7-Außenministerkonferenz in Lübeck

LÜBECK taz | „Wir werden noch 3.000“, sagt die Frau von der Kurdistan-Initiative, als sie ihr Fahrrad am Rand der Kundgebung anhält. „Klappt bestimmt.“ Bisher sieht es nicht so aus: Nur etwa 150 Menschen haben sich an dem trüben Vorfrühlingstag auf dem Platz in der Lübecker Innenstadt versammelt, um gegen das Treffen der Außenminister der G7-Staaten zu demonstrieren.

Vorne auf der Bühne versucht ein Sänger mit afghanischen Volksliedern Stimmung zu verbreiten, einige Fahnen wehen, eine Gruppe Punks fällt sich um den Hals. Die Szene ist von Polizei förmlich umstanden: Ganz Lübeck wird an diesem Tag, dem ersten des Außenminister-Gipfels, von den dunkelblauen Uniformen beherrscht.

Der Innenstadt-Bereich, in dem sich die Minister treffen werden, ist weitgehend für den Autoverkehr gesperrt. An vielen Läden und Restaurants hängen Pappschilder: „Geschlossen wegen G7“. Während Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) die Arbeit der Polizei als „vorbildlich“ lobt, kritisiert die Piratenpartei den „massiven Eingriff in die Bürgerrechte“ durch Kontrollen und Absperrungen.

Tatsächlich ist die Polizeipräsenz überwältigend: Drei Polizeiboote kreuzen auf der Trave zwischen Altstadt und dem Bereich rund um die Musik- und Kongresshalle, wo die Gipfel-Gäste und das Pressezentrum untergebracht sind. Dutzende Wagen und Beamte stehen an den Straßen. In diesen „Sicherheitszonen“ dürfen sich Besucher nur noch mit speziellen Ausweisen bewegen. Entsprechend leer und fast gespenstisch ruhig wirken einige Straßen der Altstadt.

Angesichts des geringen Betriebs und der überschaubaren Zahl der TeilnehmerInnen bei der Kundgebung sind die BeamtInnen dann aber auch ziemlich entspannt: Eine Polizistin nimmt sich viel Zeit, einen struppigen Hund einzufangen, der seinem hilflosen Herrchen davongelaufen ist.

Auch wenn die Lage bis Redaktionsschluss ruhig blieb, sieht Patrick Breyer, Landtagsabgeordneter der Piratenpartei, grundsätzliche Probleme. Die Piraten hatten bereits vor dem Gipfel die Vorbereitungen und die mangelnden Möglichkeiten der Demo-Beobachtung kritisiert. Am Montag und Dienstag nahm Breyer „eingebettet“ an den Einsätzen der Polizei teil und schaute sich hinter den Kulissen des Gipfels um – eine Möglichkeit, die nur Landtagsabgeordnete bekamen.

Eine Station der Besuchstour war die „Gefangenensammelstelle“ neben dem Lübecker Behördenhochhaus. Bis zu 300 Personen kann die Polizei dort in Containern unterbringen. Es wäre eine Haft ohne Gerichtsbeschluss, sagt Breyer, denn die Justiz habe verkündet, auf Verhandlungen zu verzichten, „wenn Einzelvorführungen länger dauern würden als der Gewahrsam selbst“, nämlich in der Regel nur einige Stunden. „Ich halte diese Praxis, falls sie sich bestätigen sollte, rechtlich nicht für tragfähig“, sagt Breyer.

Die Hoffnung der Kurdistan-Aktivistin auf mehrere Tausend Demonstranten sollte sich nicht erfüllen. Doch am Abend versuchten immerhin einige Hundert, das Rathaus zu blockieren. Die Polizei verhinderte das durch weiträumige Absperrungen.

Inland SEITE 9 Meinung + Diskussion SEITE 14

14 Apr 2015

AUTOREN

Geisslinger

TAGS

Polizei
Außenminister
Protest
G7-Gipfel
Lübeck
G7-Gipfel in Elmau
Piratenpartei

ARTIKEL ZUM THEMA

Kontextfreie Informationshäppchen im neuen Museum: „Die Hansen haben nichts Neues erfunden“

Das am Wochenende eröffnende Europäische Hansemuseum in Lübeck inszeniert die Geschichte als Mix aus Reenactment und klassischer Vitrinenschau.

Vor dem G-7-Gipfel auf Schloss Elmau: Furcht vor brennenden Heuballen

Die Politik will Bilder von Protesten beim G-7-Gipfel verhindern. Mehr als 20.000 Polizisten sollen wenige Demonstranten in Schach halten.

Pirat über Außenministertreffen: „Für G7 die ganze Stadt lahmgelegt“

Piraten-Landtagsabgeordneter Patrick Breyer begleitete die Polizei während des G-7-Einsatzes in Lübeck. Er kritisiert die begrenzte Bewegungsfreiheit der Beobachter.