taz.de -- Ambitionen der Hamburger AfD: Schillernd im Hanseatenpelz
Mit abgestuft radikalen Auftreten wollen die Spitzenkandidaten der AfD ihren Bürgerschaftswahlkampf führen. Im Visier haben sie das Hamburger Bürgertum.
In Hamburg ist ein schillernder Bürgerschaftswahlkampf zu erwarten: Hier will die AfD das erste Landesparlament im Westen erobern. „Wir wollen das gute Hamburger Bürgertum vertreten“, erklärt Jörn Kruse. Sieben bis acht Prozent der Stimmen hofft der Spitzenkandidat und Landesvorsitzende am 15. Februar kommendes Jahres zu erreichen.
Schon jetzt steht fest: Der Landesverband will nicht auf ehemalige Mitglieder der „Partei Rechtsstaatliche Offensive“ (Schill-Partei) verzichten. Ebenso wenig auf Positionen weit rechts von der Union.
Im Landesverband scheinen schon die Rollen der drei Spitzenkandidaten Jörn Kruse, Bernd Baumann und Dirk Nockemann festgelegt zu sein. Zurückhaltend tritt Kruse, der Professor für Wirtschaft auf. Im Wahlkampf will er sich vor allem um „Wirtschaft und Bildung“ kümmern, wie er auf dem Parteitag Ende vergangener Woche ankündigte.
Die Einrichtung von Leistungszentren an Gymnasien stelle er sich vor und den Inklusionsprozess an den Schulen stoppen – für Kruse eine ideologisch betriebene Zwangsvereinigung mit Schülern mit Behinderungen, die keinem gerecht werde, aber teuer sei.
Der 66-Jährige hatte vor dem Landesparteitag angemahnt, dass auch die Presse zugelassen werden solle. Man wolle „nicht die Partei präsentieren, als die wir häufig dargestellt werden. Wir sind weltoffen, tolerant und liberal.“ Eine Anspielung auf die NPD, deren Anträge auf kommunaler Ebene die AfD in Mecklenburg-Vorpommern schon zustimmte.
Gediegen tritt auch Bernd Baumann auf. Deutliche Töne scheut der promovierte Wirtschafswissenschaftler allerdings nicht: „Hamburg ist das Tor zur Welt und nicht die Tür zu Verbrechen“, erklärte der 55-Jährige. Die Täter kämen aus Osteuropa und Südamerika, weiß er, sowie: „Die linke Gewalt zieht sich wie eine Blutspur durch die Stadt.“
Weniger zurückhaltend sucht Dirk Nockemann die Öffentlichkeit. Für den ehemaligen Innensenator und das frühere Mitglied der Schill-Partei ist Hamburg „Stadt der Unsicherheit“, die Polizei werde hier kaputtgespart.
Die alte, neue Forderung „Einwanderung braucht klare Regeln!“ griff der Europa-Abgeordnete Hans-Olaf Henkel auf: Die Zuwanderer suchten sich das Land aus, statt dass das Land sich die Zuwanderer aussuche. „Lassen Sie es uns so formulieren, dass es nicht den Geruch von Ausländerfeindlichkeit bekommt“, sagte der 74-Jährige.
Kritik am öffentlichen Diskurs kam überdeutlich von einem der hinteren Listenplätze. Jens Eckleben, Ex-Landvorsitzender „Der Freiheit“, auf Platz 14, verspricht, der „politischen Korrektheit“ entgegenzutreten. Die „Genderideologie“ sei bloße sozialistische Gleichmacherei.
Eckleben, der in der AfD wegen seinen offenen Antiislamismus nicht unumstritten war, kritisierte, dass die Partei am 3. Oktober ihren Parteitag eröffnet hatte. Am Tag der Deutschen Einheit feiere man, sagte er und betonte, für einen „gesunden Patriotismus“ zu stehen. Auf dem Parteitag gratulierte Kruse ihm nach der Wahl – auch ein Zeichen.
6 Oct 2014
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